Freitag, 23. Dezember 2011

DASS RASSISTEN EINES TAGES TÖTEN IST EIGENTLICH NORMAL

EIN OFFENER BRIEF

Sehr geehrter Herr Tilman Tarach,

ich habe Ihr sehr lesenswertes Buch in Analogie zu den Vorurteilen und Rassismen gegenüber Muslimen gesetzt, da die Ähnlichkeit wie Vorurteile und Rassismen gegenüber Juden produziert werden frappierend ähnlich in ihrer Struktur sind, wie sie heute gegenüber Muslimen konstruiert werden. Gerade Ihr Buch eignet sich daher hervorragend um die Psychopathologie des Rassismus an sich -egal welchen Couleurs- zu verstehen. Daher widerspreche ich Ihnen - was ich ungern tue: ich habe Ihr Buch verstanden, denn es ist so unmissverständlich geschrieben, dass man es einfach nicht missverstehen kann, selbst wenn man es auf Biegen und Brechen wollte. Klappt nicht (Ich meine das nun wirklich nicht ironisch, wie mir da in diversen Emails unterstellt wurde. Ich gehe nur nicht mit allen historischen Darstellungen die Sie in Ihrem Buch "dokumentieren" konform). Dennoch zeichnen Sie in Ihrem Buch den Konstruktionsplan des Antisemitismus bis ins Detail nach. Dass mir dabei das rassistische Feindbild Islam/Muslime einfiel, mögen Sie mir bitte nachsehen.

Ich will damit sagen, dass heute das Feindbild Muslim/Islam mit einem nahezu identischen Bauplan hergestellt wird, wie man Vorurteile und Rassismen in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts produzierte. Es ist derselbe Bauplan der Vorurteile, der Diffamierung, der Denunziation die Rassisten immer angewendet haben, wenn es galt irgendeine Minderheit des Andersseins ins Fadenkreuz zu nehmen. Der grundsätzliche Bauplan wie man am besten Rassismus kreiert hat sich nie geändert.

Wem diese nicht mehr zu übersehende Ähnlichkeit nicht auffällt, der hat nichts, aber absolut nichts aus der Geschichte gelernt. Wer Rassismus nicht als ein Menschen verachtendes Verbrechen – weil immer letztlich tödlich -  begreift, ist ein seelischer Analphabet. Rassismus ist keine Meinung, keine Kritik - es ist eine mörderische Ideologie und damit ein Verbrechen.
Und, wer nichts aus der Geschichte lernen will, ist unfähig Rassismus in seinen frühesten Anfängen rechtzeitig zu erkennen.

Bester Beleg wie das Feindbild Islam in unserer Gegenwart entsteht, ist der Beitrag von Jonny Deer in dem von Ihnen kommentierten Thread, der den Islam mit dem Nationalsozialismus und den Koran mit "Mein Kampf" gleichsetzt und unter dem Deckmantel der Islamkritik den Hass gegen Muslime legitimieren will.

Jonny Deer schreibt:
“Heinrich Himmler schwärmte für die weltanschauliche Verbundenheit zwischen Nationalsozialismus und dem Islam. Die Ideologie der Muslimbruderschaft, die aus dem Koran abgeleitet wurde, schien sich in einigen Punkten mit der der Nationalsozialisten zu decken – insbesondere bei der Judenfrage. Genau wegen dieser Kooperation und den gleichen Interessen von Hitler und Islam ist Deutschland in den arabischen Ländern noch heute so beliebt!“

Zugleich versteckt Jonny Deer in seinem Kommentar die typisch antideutsche Parole, dass die Deutschen damit auch für den islamischen Terror (einschließlich 9/11) - zumindest ideologisch -  verantwortlich sind. Der Antisemitismus war in der Tat der erfolgreichste ideologische Exportartikel („made in germany“) der in der arabischen Welt reichlich Absatz fand. Doch der beste Lehrmeister in Sachen Rassismus war wohl das Christentum welches 2000 Jahre lang die Saat vom „gottesmörderischen Volk der Juden“ streute, dessen Ernte als Antisemitismus von den Nationalsozialisten eingesammelt wurde und zum Massenmord, zum Genozid führte.

Das Christentum hat den Rassismus an sich –egal gegen wen er sich richtete-  perfektioniert. Gleichgültig ob es sich um die christliche Zwangsmissionierung handelte durch blutigen Kinderkreuzzüge, die Juden als Mörder des Allmächtigen zu bezichtigen, die Türken und ihren „barbarischen Islam“ zu diffamieren, die Frauen als Menschen zweiter Klasse zu „definieren“ (Hexenverbrennung) oder Homosexuelle als „entartet“ zu diagnostizieren, das Christentum war und ist die Quelle aus der sich rassistische Ressentiments je nach Bedarf schöpfen lassen.

Auch gegenüber dem Islam wurde kräftig in das Waffenarsenal des christlichen Fundamentalismus gegriffen. Welche Folgewirkung dieser rassistische Hass auf den Islam hervorrufen kann, dessen geistiger Brandstifter die jahrelange Hetzereien von Jörg Haiders FPÖ waren und nach wie vor sind (DAHAM STATT ISLAM), zeigte sich im rassistischen Rechtsterrorismus der „Bajuwarischen Befreiungsarmee“ (BBA) die eine tödliche Blutspur von 1993 bis 1997 durch die Alpenrepublik zog.

Die Bekennerschreiben dieser Terrorgruppe (die Staatsräson verordnete den Österreichern die „Einzeltätertheorie“) sprechen da eine deutliche Sprache.
Triefend vor Hass auf den Islam wetterten die BBA-Terroristen gegen die islamischen Untermenschen, gegen die „Weltvergifter“ die Juden und gegen die kriminellen "Zigeuner" (Ziehende Gauner). Diese rassistische Untermenschen-Ideologie der BBA war die Legitimation zum vierfachen Mord an Roma und Sinti, zum Mordversuch an Juden, Slowenen, Kroaten und Moslems! Nur der reine Arier „germanischer Herkunft“ hatte in den Augen der BBA-Rassisten eine Existenzberechtigung.

Der BBA-Terror bezog sich dabei auf die historischen Figuren wie ein Markgrafen Gerold, »dem Präfekten der Awarenmark« etwa, Herzog Oadilo von Bayern, dem Babenberger Friedrich dem Streitbaren, und vor allem auf den häufigsten Patron des BBA- Terrors, Graf Ernst Rüdiger von Starhemberg, dem Verteidiger von Wien während der Zweiten Türkenbelagerung, auf den sich auch der Massenmörder Breivik bezog. (Bis vor kurzem gab es noch eine BBA-Fanseite auf Facebook: www.facebook.com/apps/application.php?id=399413360287)

Rassistische Vorurteile gegenüber Muslimen sind, jedenfalls in Österreich, Jahrhunderte alt und wurden vor noch nicht allzu langer Zeit auch in den österreichischen Schulbüchern so gelehrt. Das was jetzt passiert ist eine Radikalisierung des Islamhasses seit dem  Terroranschlag vom 9/11 und findet seine Verbreitung im Internet und im medialen Boulevard.

Vor diesem Hintergrund die NSU-Morde "nur" als reine Ausländerfeindlichkeit zu bezeichnen, wäre eine Verniedlichung dieser rassistischen Morde, denn die Opfer dieses Rassenwahns waren nicht zufällig Muslime. Das Ausblenden der Tatsache, dass die NSU-Morde ganz gezielt gegen Muslime gerichtet waren, ist einer jener typisch deutschen Reflexe, wenn es darum geht politische Verantwortung zu übernehmen. Die Islamkritik ist wichtig, damit der Islam in die humanistische demokratische Welt findet, so wie es sich die Millionen an Muslimen des arabischen Frühlings wünschen. Ihnen solidarisch beizustehen wird ihnen helfen schneller und unbeschadeter im demokratischen Islam anzukommen.

Dazu ist auch Islamkritik notwendig. Dabei sollte man aber nicht den Feind verwechseln. Nicht die unterdrückten Muslime sind der Feind, sondern die Unterdrücker der Muslime. Denn sonst wird aus der berechtigten Islamkritik sehr schnell Islamhass und Rassismus gegen Muslime. Gerade das christliche Abendland sollte sich da selbst besser bei der Nase nehmen und endlich aufhören die feudalistischen und diktatorischen Regime des Morgenlandes durch Waffenlieferungen in ihrer Unterdrückung zu unterstützen.

Geistige Brandstifter sind all jene Menschen die Ausländerfeindlichkeit, Hass und Rassismus gegenüber Menschen säen, damit zur Motivation und Legitimation für rassistische Mörder beitragen. Insofern bleibe ich bei meiner -ich gebe es zu zu- provokanten, aber für mich richtigen Feststellung, dass die Muslime sich in Deutschland eine nicht zu übersehende Islamfeindlichkeit gegenübersehen, die für mich sehr stark an die Judenfeindlichkeit in Deutschland der frühen 20er Jahre erinnert.

Denn dass Rassisten eines Tages auch töten, ist eigentlich normal.

Schönste Grüße derweil,

Klaus Ch. Kufner

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